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Mein Weg aus der Alkoholabhängigkeit in ein selbstbestimmtes Leben

Wie ich meine jahrzehntelange ertragene Sucht mit einer einzigen Entscheidung hinter mir ließ.


Seit meinem 9. Lebensjahr bin ich im Schwarzwald, in einer Winzerregion, aufgewachsen. Das erste offizielle Glas Sekt zur Konfirmation war eine Auszeichnung, Wein gehörte zu einem guten Essen dazu und Feiern ohne Alkohol war undenkbar. Wer da nicht mithalten konnte, gehörte nicht dazu.


Alkoholabhängigkeit ist ein schleichender Prozess


Dazuzugehören und gehört zu werden, das war ein Wunsch, den ich seit früher Kindheit hegte. Ich hatte früh meinen Vater verloren und mit ihm die wichtigste Bezugsperson, meinen einzigen Vertrauten und den einzigen Menschen, bei dem ich mich immer sicher und "richtig" und frei gefühlt hatte.


Leistung und Alkohol waren für mich die ideale Kombination, um mein Bedürfnis nach Anerkennung zu stillen. Und ich habe diese Sehnsucht still und leise perfektioniert An Bereitschaft und Fähigkeit zur Leistung fehlte es mir nie. Widerstände haben mich seit früher Jugend eher angespornt, als davon abgehalten weiter zu kommen. Aufgeben oder Versagen waren keine Optionen, die ich mir erlaubt hätte und dieser Anspruch bezog den Versuch, kontrolliert und „normal“ Trinken zu können mit ein.

 

Mir einzugestehen, dass ich da bereits tief in der Alkoholabhängigkeit steckte, einzugestehen, dass ich etwas nicht in den Griff bekomme, etwas das für andere „normal“ ist, nicht zu können, das hätte mein gesamtes Weltbild ins Wanken gebracht. Davor hatte ich Angst. Dass ich trotz viel zu viel Alkohol sehr lange sehr gut funktionierte, hat es nicht leichter gemacht.

 

Ich war im schulischen und später beruflichen Umfeld immer erfolgreich. Ich habe mit fast 40 ein Fernabitur und ein Fernstudium exzellent abgeschlossen, war danach in Wissenschaft und in Führungspositionen erfolgreich und habe nebenbei ein lebensbedrohliches Stalking und eine unverschuldete Privatinsolvenz überstanden, ohne aufzugeben.

 

Schon die Idee, dass so jemand wie ich es nicht „auf die Reihe bekommen“ kann, „normal“ zu trinken, war für mich undenkbar. Daran habe ich jahrzehntelang festgehalten. Aber die Angst, es nicht zu schaffen, die wurde im Laufe der Jahre immer größer und belastender.


Über Jahrzehnte habe ich in Alkohol die einzige Möglichkeit gesehen, ein niemals endendes Gedankenkarussell wenigstens zeitweise zum Stillstand zu bringen:

Die permanente Verunsicherung, die mir jede Freude an Erfolgen verhinderte

Die Angst, falsch zu sein, nicht dazu zu gehören, Menschen zu verlieren, zu verletzten und selbst verletzt zu werden

 

Alkohol half mir lange, diese Angst wenigstens für ein paar Stunden nicht zu fühlen. Aber nach einer Weile war die Angst den Absprung nicht zu schaffen, größer als die Ängste hinter der Sucht.

 

Es gab unzählige Nächte, in denen ich schweißgebadet aufgewacht bin. Aufgestanden bin um nachzusehen, ob ich den Herd ausgeschaltet, Kerzen ausgemacht oder „Reserveflaschen“ aus dem Kühlschrank genommen habe. Nächte ich denen ich dann stundenlang ins Kissen geheult habe.

 

Ich weiß nicht mehr, wie oft  ich es dann „angegangen“ bin, wie alles in meinem Leben.  Mit Intellekt, Trotz, Struktur und Planung. So gelang es mir, eine ganze Weile auch mal nichts oder weniger zu trinken. Keine harten Sachen. Nur am Wochenende. Nicht alleine.

 

Ich war der Meinung, ich habe alles versucht. Und stand trotzdem immer wieder an einem Punkt, wo ein emotionaler Auslöser, eine alte Wunde oder ein vermeintliches Scheitern bei was auch immer, dazu geführt haben, dass ich wieder trank. Mich dafür in Grund und Boden schämte, verurteile und zeitweise kurz davor war, zu resignieren. Ich hatte gegen Ende meiner „Karriere“ konkrete Szenarien, dem Elend ein Ende zu setzen, vor Augen; die ich mir in den zunehmend schlaflosen Nächten ausmalte. Der Gedanke, was ich meinem Mann damit antun würde und was aus unseren gemeinsam gehalten Tieren würde, waren zeitweise das einzige Bindeglied zwischen mir und meinem Leben.

 

Mein letzter Versuch, meine Alkoholabhängigkeit zu beenden begann, als mein Mann an Krebs erkrankte und mir klar war, dass ich nicht nur ihn, sondern auch mich – endgültig – verlieren werde, wenn ich weiter trinke. Aber es wäre dennoch ein Versuch geblieben, den ich nach seinem Tod wieder aufgegeben hätte, wenn ich nicht in dieser Zeit verstanden hätte, dass ich eben noch nicht „ALLES“ versucht hatte. Und das führte zu einer Entscheidung, die mir wieder alles ermöglichte.


Darüber erzähle ich in Teil II dieses Posts

 


 

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